Auch von den letzten paar Wochen meines Aufenthaltes in Israel gibt es einiges zu berichten, das sich nicht unter „Alltagsgeschehen“ zusammen fassen lässt. Ich feierte Tu Bischwat, das Neujahrsfest der Bäume, an dem es üblich ist Bäume zu planzen, im Kibbuz und pflanzte zu diesem Zweck auch mit ein paar Freund_innen ein paar schöne Pflänzchen.
Ich war beim Heimspiel von Hapoel Tel Aviv gegen Beitar Jerusalem. Eine interessante Begegnung, denn Hapoel ist als weltoffener Fußballverein mit einer antifaschistischen und linken Fanszene bekannt, wohingegen Beitar Jerusalem besonders durch die rassistischen Ausfälle seiner Fangruppen auffällt. Leider verlor Hapoel die Partie mit 0:2. Es war dennoch eine nette Erfahrung, besonders da ich über einen befreundeten Volontär aus Deutschland einen organisierten Hapoel-Ultra kennen lernen durfte, der uns für „umme“ Karten für den Fanblock besorgte.
Ich schrieb meinen Abschlusstest im Ulpan und absolvierte den mündlichen Abschlusstest um ein Zertifikat vom israelischen Bildungsministerium zu bekommen, welches mir meine Hebräischkenntnisse bescheinigt. Beide Tests liefen wesentlich besser als erhofft und mittlerweile kenne ich auch meine Ergebnisse schon. Ich erzielte die bestmögliche Note, bin damit wesentlich über meinem Ziel gelandet und habe mir ein ganz guten Basiswortschatz und sprachliche Grundkenntnisse aneignen können (- zumindest für die Sicherheitsbefragungen am Flughafen in Tel Aviv sollte mein Hebräisch später reichen).
Wir feierten im Ulpan unseren Abschied. Das war ein ganz besonderer Abend, sollte ich viele meiner Mitschüler_innen dort zum (vorerst) letzten Mal sehen. Viele traf ich allerdings auch danach noch mal (z.B. zufälligerweise in Tel Aviv oder beim Super Bowl schauen im Pub des Kibbuz‘). Ich bin gespannt wie es diesen Menschen in der Zwischenzeit ergangen ist, ob bei der Arbeit, in der Armee oder im Studium und freue mich auf ein Wiedersehen mit vielen, denn einige sind mir sehr ans Herz gewachsen und ich kann sie guten Gewissens sehr gute neue Freund_innen nennen. Damit war der Ulpan vorbei und mein Restprogramm ausschließlich selbst organisiert.
Zwei weitere Male besuchte ich noch auf eigene Faust Jerusalem. Beim ersten Mal schaute ich mir in der Mikveh eine der allmontaglichen Drag-Shows dort an. Die von mir besuchte Show war sehr unterhaltsam. Ich würde, wenn ich mal wieder an einem Montag in Jerusalem bin, definitiv wieder hin gehen und kann den Besuch einer solchen Drag-Show nur jeder_m empfehlen. Sie wird wirklich nicht langweilig, ist auch ohne oder mit dürftigen Hebräischkenntnissen gut zu verstehen und veranschaulicht zudem noch die Art und Weise vieler Israelis die Shoa zu verarbeiten, denn sobald sich herausstellt, dass Deutsche unter den Besucher_innen sind, wird keine Gelegenheit ausgelassen Nazi- und Shoawitze zu machen.
Das zweite Mal schaute ich nur kurz in Jerusalem vorbei um von dort aus den Bus in die West Bank – genauer gesagt nach Ramallah – zu nehmen. Ich traf mich am arabischen Busbahnhof mit meinen beiden (israelischen) Begleiter_innen, die sich illegalerweise mit mir auf den Weg machten.
Es war eine interessante Fahrt in einem Bus, gefüllt mit arabischen Israelis, ein paar europäischen Tourist_innen, zu denen man ja auch mich zählen kann und zwei israelischen Jüd_innen, getarnt als rumänische Touristin und amerikanischer Tourist und mit eben solchen Pässen unterwegs. Wir trafen die Abmachung so lange wir uns in der West Bank aufhielten oder im Bus saßen im Interesse der beiden Israelis kein Wort auf Hebräisch („Gaga“) zu wechseln und uns möglichst touristisch aufzuführen. Der zweite Punkt war nicht einmal sonderlich einfach, da ich Ramallah als eher langweilige Stadt bezeichnen würde, in der alle Sehenswürdigkeiten innerhalb von zwei Stunden abgeklappert werden können, was wir auch taten und uns dann etwas zu essen in einem der zahlreichen Cafés Ramallahs suchten. Wir gingen noch auf den Markt und machten uns dann relativ bald wieder auf den Weg nach Jerusalem.
Am Checkpoint zwischen pal. Autonomiegebieten und Israel, mussten wir noch etwa eine Stunde verbringen, da mein „amerikanischer“ Begleiter mit einem Aliyah-Visum in seinem Pass als Israeli identifiziert werden konnte, sich daher Belehrungen durch Polizist_innen und Soldat_innen anhören musste und mit der Drohung konfrontiert wurde, dass eventuell Ermittlungen gegen ihn eingeleitet würden, weil es (jüdischen) Israelis verboten ist in die West Bank zu fahren. Glücklicherweise konnten wir dann aber bald weiter nach Jerusalem fahren.
Ich ging auf zwei Roadtrips – einen mit zwei Ulpan-Mitschüler_innen von Tel Aviv aus nach Caesarea, über Haifa ins Hula Valley, in den Kibbuz Neve Eitan, wo zwei Freunde von mir von ihrem Lone Soldier-Unterstützungsprogramm untergebracht sind und letztendlich am See Genezareth vorbei zurück nach Tel Aviv.
Den Zweiten mit einer deutschen Gruppe – einem Deutschen Volontär und drei Besucherinnen. Wir fuhren (wieder einmal) über Caesarea nach Haifa, wo wir Zimmer im Beit Scandinavia bezogen. Das Haus ist ein Gästehaus für „christian believers“ und finanziert sich über Spenden. Wer also auf einer Reise durch Israel (sehr) günstig (wer gar nichts hat, auch gratis) in Haifa unterkommen will und kein Problem mit zwangsneurotischen Verantwortlichen und einem Gebet am Frühstückstisch hat, dem_der sei das Beit Scandinavia empfohlen – anderen Menschen eher nicht. Von dort machten wir Tagesausflüge u.a. in die Innenstadt Haifas, nach Akko, Rosch HaNikra, in den Golan, an den See Genezareth und schließlich ein aller letztes Mal nach Kiryat Gat.
Danach waren auch nur noch wenige Tage in Israel übrig. Die weiteren Stationen waren Kibbuz Naan, Jerusalem und Tel Aviv – einfach um alles noch ein letztes Mal gesehen zu haben und um meiner Begleitung, die mich aus Israel „abholte“, noch zeigen zu können, wo ich mich die fast sechs Monate über immer so rumgetrieben hatte.
Der Rückreise war eher unspektakulär, die Sicherheitskontrollen gewohnt streng und auslaugend, wobei ich mich aber darüber freuen konnte, dass ich den Großteil der Kontrollen auf Hebräisch absolvieren konnte und die mich kontrollierenden Menschen nett und hilfsbereit waren und ich mich gut mit ihnen unterhalten konnte, so dass das ganze Taschenleeren und wieder -befüllen und das Interview sogar fast noch Spaß machten.
Auf jeden Fall mehr Spaß als in Berlin bei Minusgraden und Schnee aus einem Flieger zu steigen, den ich in Tel Aviv bei T-Shirt-Wetter bestiegen hatte und dann festzustellen, dass man keine Winterklamotten dabei hat. Das Leid konnte glücklicherweise dadurch gelindert werden, dass ich und meine Begleitung bei sehr netten Leuten unterkommen konnten. Dennoch – schon am ersten Abend, den ich nicht mehr in Israel war, vermisste ich es. Seit diesem Abend, der mittlerweile auch schon fast einen Monat zurück liegt, hat sich an diesem Zustand nicht viel geändert.